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Nach außen trug mein Sohn die Situation mit Fassung. Innen sah es ganz anders aus. Innen kämpfte er gegen unzählige Gegner. Borderline = Grenzgänger – ein Wort wie ein Donnerschlag. Viele Theorien, noch mehr Vermutungen und so schwer zu verstehen. Es ist ein sehr schweres und umfassendes Thema. Und damals vor 12 Jahren, als die Krankheit bei meinem Sohn ausbrach, gab es kaum gesicherte Erkenntnisse. Die Persönlichkeit eines Menschen entwickelt sich durch genetische Faktoren und durch Erfahrungen, die wir machen. Zudem ist es wohl wichtig, wie die gemachten Erfahrungen verarbeitet werden. Die Persönlichkeit entsteht also aus einem Zusammenspiel von Erfahrungen, der Veranlagung und der psychischen Verarbeitung des Erfahrenen.
Und wenn es ungünstig verläuft, kann sich die Borderline-Störung entwickeln. In diesem Fall leidet der Betroffene dann an/unter sich selbst und eben auch an/unter seiner Umwelt. Zudem gibt es unterschiedlich starke Ausprägungen der Krankheit. Und bis heute ist nicht zu 100% geklärt, was genau nun die Ursachen sind und welche Erfahren und ihre Verarbeitung tatsächlich zu der Krankheit führen. Es gibt sie wohl nicht, diese eindeutigen und typischen Symptome, die Borderline auslösen. Jeder verarbeitet ja seine Erfahrungen und seine Lebensgeschichte ganz unterschiedlich. Doch das wussten wir damals alles nicht. Und es spielt hier auch keine Rolle. Denn hier möchte ich davon erzählen, wie mein Sohn mit seiner Erkrankung umging und wie er seinen Weg ging.
Als ich ihn in die Klinik brachte dachten wir: Jetzt wird er behandelt und alles wird wieder gut. Wir hatten nicht die geringste Ahnung was auf uns zukommen würde. Während mein Sohn versuchte sich auf der Station zurechtzufinden, las ich alle Bücher die ich zu diesem Thema auftreiben konnte. Ich verschlang sie regelrecht. Doch statt der Aufklärung die ich mich wünschte, verwirrte es mich nur immer mehr. Das was ich las, machte mir Angst. Es war als würde sich vor meinen Augen die Hölle öffnen. Da standen Dinge wie Psychosen, allerschwerste Ängste, Realitätsverschiebung u.s.w. - Heilung in vielen Fällen ausgeschlossen und eine unglaublich hohe Suizidrate. Ich verstand kaum etwas von dem vielen "Fachchinesisch". Und ich spürte das ich mir selbst keinen Gefallen damit tat in Windeseile diese vielen Bücher zu lesen. Meine Verzweiflung wurde immer größer und meine Angst wuchs ins Unermessliche.
Auf der einen Seite stand für mich fest, das ich ALLES tun würde um meinem Kind zu helfen. Alles, was nur irgendwie in meiner Macht lag. Auf der anderen Seite gab es ganz tief in mir eine Ahnung, das ich ihn an diese grausame Krankheit verlieren könnte. Doch das musste ich wegschieben, so weit weg wie irgend möglich. Denn zu dem Zeitpunkt war ich seine einzige Vertraute, der einzige Mensch auf den er sich verlassen konnte. Und jetzt ging es einzig darum, ihm Kraft zu geben und ihm Mut zu machen. Ihm zu zeigen das ganz egal, was immer auch passiert: Ich bin an Deiner Seite.
Für mich begann ein jahrelanger Drahtseilakt. In mir die Todesangst um mein Kind, Hilflosigkeit und ein unglaubliches Gefühlschaos. Nach außen wollte ich auf keinen Fall Schwäche zeigen. Natürlich war das zum scheitern verurteilt. Andere Menschen nahmen mir das ab, aber mein Sohn wusste genau was ich fühlte und was in mir vorging. Ihm konnte ich nichts vormachen denn er konnte direkt in meine Seele sehen.
… und dann sah ich zum ersten Mal die äußerlich sichtbaren Zeichen! Seine mit Wunden übersäten Arme! Was ich in dem Moment fühlte, kann ich unmöglich beschreiben. Ich wusste ja, das mein Sohn diese Diagnose hatte. Und es verfolgte mich in dieser Zeit Tag und Nacht. Doch zu sehen das mein Kind sich selbst verletzte, war kaum noch zu ertragen. Sein schöner Körper, und nun... Inzwischen wusste ich ja, das viele Betroffene sich selbst verletzen (ritzen). Doch es zu sehen, war etwas ganz anderes. Jeder einzelne Schnitt war auch ein Schnitt in mein Herz. An diesen Anblick habe ich mich nie gewöhnt.
So hilflos wie in diesem Moment, habe ich mich selten in meinem Leben gefühlt. Ich wusste ja nicht, das es erst der Anfang eines langen Martyriums war.
Durch seinen Klinikaufenthalt begann sich auch mein bisheriges Leben auf den Kopf zu stellen. Ich selbst hatte einen jahrelangen Kampf gegen Gewalt und Missbrauch hinter mir. Dieser Kampf hatte tiefe Spuren hinterlassen. Und wohl auch bei meinem damals noch sehr kleinen Sohn. Die darauffolgenden Jahre hatte uns zusammengeschweißt. Doch mir war auch klar, das das alles (wie auch immer) in einem großen Zusammenhang stand. Und ganz langsam bekam ich das Gefühl, das mein Kind nun den Preis für alles bezahlen sollte. Dieses Gefühl brachte mich fast um, es machte mich wahnsinnig. Ein junger Mann, gerade mal 18 Jahre alt. Er hatte in seinem ganzen Leben nie jemand etwas Böses getan und so viele Pläne. Es war einfach nur brutal und ungerecht.
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