Christoph-TiTo-Klesse
  Die Nachricht
 




03.03.2010

 


Immer schon hatte ich (wie vermutlich alle Mütter dieser Welt) einen siebten Sinn für mein Kind. Ich bekam Bauchschmerzen, wurde unruhig und spürte immer wenn es ihm nicht gut ging. Oder ich wälzte mich unruhig und schlaflos im Bett hin und her. Umgekehrt ging es Christoph mit mir genauso. Ich brauchte am Telefon nur meinen Namen zu nennen und schon kam von ihm die Frage: Was ist los Tine?



Nicht so in dieser Nacht !

 

Als ich an diesem bitterkalten Morgen aufwachte war alles wie immer. Neben mir schlief seit 2 Stunden Stephan, mein Lebensgefährte. Er hatte Nachtschicht und nun lagen 2 freie Tage vor uns. Stephan hatte schon früh auf dem Heimweg ein Huhn vom Markt mitgebracht. Und bei Tagestemperaturen von -10° freute ich mich schon auf die leckere Suppe. Gleich nach dem Frühstück wollte ich mich daran machen sie zu kochen. Doch zuerst machte ich mir einen Kaffee und hörte mir in Ruhe die Nachrichten an. Ich ließ mir Zeit, denn es stand nichts besonderes auf meinem Tagesplan. Gemütlich saß ich in der Küche und war froh, das ich bei der Kälte nicht raus musste. Noch im Schlafanzug begann ich mit der Suppe, als es an der Tür klingelte. Ich schaute zur Uhr, es war 9.30 Uhr.

 

Da ich annahm das es meine Freundin Beatrix war, ging ich so wie ich war zur Tür. Ich betätigte den Türöffner für die Haustür und öffnete gleichzeitig die Etagentür. Gewohnheitsmäßig wollte ich schon zurück in die Küche gehen, als ich die beiden Polizisten wahrnahm. Der eine trug eine grüne Uniform, der andere eine blaue. Sie grüßten und einer von ihnen fragte mich ob ich Frau Christine Klesse sei. Als ich das bejahte, bat er mich darum eintreten zu dürfen.


 

Im gleichen Moment durchströmte mich eine ganze Welle von Gefühlen. Verwirrung, Hilflosigkeit und vor allem Angst. Entsetzliche, unfassbar große Angst. Ganz langsam kroch sie in mir hoch und erfasste schließlich jeden noch so kleinen Winkel meines Körpers. Mein Gefühl sagte mir, das etwas schreckliches passiert sein musste. Und tief in mir ahnte ich, warum sie gekommen waren. „Nein, nein“, stammelte ich und ruderte heftig mit meinen Armen herum. Reflexartig wollte ich die Tür zuschlagen. Doch ich hatte keine Chance zu entrinnen...

Wieder baten sie mich eintreten zu dürfen. Wortlos ging ich voran in die Küche. Einer der Polizisten setzte sich zu mir an den Tisch. Der grün uniformierte stellte sich stumm vor meinen Apothekerschrank. Inzwischen raste mein Puls und das Herz schlug mir bis zum Hals. Und dann fiel dieser eine Satz - der mein Leben, so wie ich es bisher kannte, mit einem Schlag beendete.

 


Man hat ihren Sohn gefunden – tot !!!
Stille... mein Herzschlag setzt aus.
Mir wird schwarz vor Augen und ich fühle wie der Polizist versucht mich zu halten.
Nein, verdammt noch einmal NEIN... Ich will das nicht hören.

ES DARF NICHT SEIN !!!


Und es kann nicht sein, ich habe doch gestern am späten Abend noch mit ihm geschrieben. Mein Kopf, mein Herz, mein ganzer Körper – alles in mir weigert sich, diese Nachricht zu begreifen. Nicht Christoph! Nicht mein einziges Kind! Nicht mein geliebter Junge! Keine Ahnung, wie lange das alles dauert. Sind inzwischen Minuten vergangen oder sogar Stunden? Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Sind es nur Gedanken in meinem Kopf oder spreche ich das alles aus - ich weiß es nicht.
Und dann schreie ich. Ganz tief aus meinem Körper kommt dieser Schrei, den ich mehr spüre als ihn zu hören. Ab diesem Moment kann ich mich kaum mehr an etwas erinnern.

 


 

Schemenhaft wirbeln Bilder, Gesichter und Gesprächsfetzen in meinem Kopf herum. Plötzlich steht Stephan da. Aufgeschreckt durch meinen Schrei steht er plötzlich in der Tür. Nach einem Blick in mein Gesicht begreift er sofort. Ich versuche zu ihm zu gehen. Schaffe 2 oder 3 Schritte und falle in seine Arme. Mir ist übel, habe das Gefühl mich übergeben zu müssen. In mir tobt ein Orkan. Gedanken rasen durch meinen Kopf, doch keinen davon kann ich festhalten. (Irgendwann erzählt mir Stephan das er in diesem Moment nur einen Wunsch hat: Er möchte mit Christoph tauschen, damit dieser unsagbare Schmerz aus meinen Augen verschwindet)

 


Was passiert hier??? Ich will das alles nicht!!!

 

Im Hintergrund höre ich Stimmen, es klingelt an der Tür. Erst später erfahre ich, das ein Nachbar fragt ob er helfen kann. Dann sitze ich wieder, die Polizisten erzählen was passiert ist. Es erreicht mich nicht wirklich. Ich beantworte Fragen an die ich mich nicht erinnern kann. Sage dem Polizisten das er aufhören soll, das das alles nicht stimmen kann. Ich lege mich mit ihm an - will das sie gehen - damit dieser Alptraum zu Ende ist. Doch sie bleiben ... Und wieder spricht er das aus was ich nicht hören will. Nie hören wollte. Dann breche ich zusammen und kann nicht aufhören zu weinen. Wo ist mein Kind, wo ist Christoph. Ich will zu ihm und mit ihm reden... Er wird mir sagen das alles nur ein schrecklicher Irrtum ist... Er wird mich in den Arm nehmen und mir sagen wie lieb er mich hat... So wie er es immer tut... In diesem Moment verstehe ich, das der Polizist in der blauen Uniform ein Polizeiseelsorger ist. Er fragt ob ich einen Arzt brauche. Was soll ich mit einem Arzt – ich will mein Kind wieder haben!!!

 


 

Es klingelt wieder an der Tür. Meine Freundin Beatrix und ihre Tochter sind gekommen. Stephan hat sie angerufen. Auf meinen Wunsch... auch daran kann ich mich nicht erinnern!  Doch ich bin dankbar das sie da sind. Einer der Polizisten redet wieder. Doch nichts dringt zu mir durch. Nur das Wort „BESTATTER“ dröhnt durch den Raum wie ein Donnerschlag.... Er fragt noch einmal ob es mir gut geht.

 


Was ist das für eine Frage??? Mir kann, mir wird es nie wieder gut gehen!!!

Dann sind sie weg. Habe ich das alles nur geträumt? Das kann doch nur ein Traum sein aus dem ich gleich aufwache!

 

Doch dann sagt irgendwer: „Komm, ich helfe dir beim Anziehen. Wir fahren jetzt zum Bestatter...An die Fahrt erinnere ich mich nicht, stehe vollkommen neben mir. Doch irgendwann sitze ich in einem Büro und soll Entscheidungen treffen. Ich befinde mich wie in einem Nebel - als sei ich Zuschauer einer grausamen Szenerie. Mit mir hat das doch alles nichts zu tun! KANN ES DOCH AUCH GAR NICHT !!! Aber warum soll ich dann all` diese Fragen beantworten?

Ich will das alles nicht mehr hören! Will hier raus!
Doch mein Körper gehorcht mir nicht. Kein Muskel funktioniert mehr.

 

 

Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich hier weiter schreiben.
Es ist unglaublich schmerzhaft mit diesen Erinnerungen umzugehen.
Die Kraft dafür ist begrenzt.

 

 
 
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