Christoph-TiTo-Klesse
  Wie alles begann...
 


 

 



Als Christoph vor 12 Jahren die (zunächst ungesicherte) Diagnose Borderline bekam, war er gerade knapp 18 Jahre alt. Die Krankheit war zu diesem Zeitpunkt zwar schon länger bekannt, jedoch steckten die Forschung und demzufolge auch die Behandlungsmöglichkeiten noch in den Kinderschuhen. An den Tag erinnere ich mich noch, als sei es gestern gewesen. Schon eine ganze Zeit fühlte sich mein Sohn in seiner Haut nicht mehr so richtig wohl. Er war Gefühlen ausgesetzt, die er nicht einordnen konnte und die ihm Angst machten.

Ohne es zu wollen verletzte er Menschen verbal. Er reagierte plötzlich ohne erkennbaren Grund aggressiv. Es tat ihm entsetzlich leid, da er solche Reaktionen bis dahin nicht an sich kannte. Aber er sah auch keine Möglichkeit es abzustellen. Auf der anderen Seite wurde er hochsensibel, beinahe empfindlich und er zog sich mehr und mehr in sich selbst zurück. Seine Welt war unberechenbar geworden. Alles in ihm schien außer Kontrolle geraten zu sein. Nichts war mehr sicher und vertraut. Nichts hatte mehr Bestand, sondern alles konnte jederzeit auf den Kopf gestellt werden. In der einen Sekunde war etwas gut und im nächsten Moment war es bitterböse. In einem Moment war er noch völlig ruhig und entspannt. Im nächsten regte er sich über eine Kleinigkeit auf. Und das auf eine so unangemessene Weise, die einem die Sprache verschlug.

Borderlinepersönlichkeitstest


Die Diagnose machte meinem Sohn erst einmal Hoffnung. Endlich hatte das Kind einen Namen. Wir wussten damals praktisch nichts über diese Krankheit. OK - ich wusste es ist eine psychische Krankheit und die Betroffenen verletzen (ritzen) sich selbst. Aber das war es auch schon! Allein das Wort Borderline hörte sich für mich schon bedrohlich an. Aber ich wollte mir meine Angst nicht anmerken lassen. Denn es ging hier um mein einziges Kind, um den wichtigsten Menschen in meinem Leben.

Und wir dachten das mit der Diagnose auch Medikamente und Therapien kommen würden. Wir hatten beide keine Ahnung wie dramatisch diese Krankheit unser Leben verändern und beeinflussen würde. Direkt nach der Diagnose begann die Ausgrenzung. Urplötzlich war er nicht mehr der gute Freund, auf den man sich immer verlassen konnte. Er war nicht mehr der freundliche junge Mann der immer höflich und hilfsbereit war. Und er war auch nicht mehr der gut aussehende Typ in den sich die Mädchen gleich reihenweise verliebten. Natürlich war er das alles immer noch - aber für die Menschen um ihn herum wurde er innerhalb weniger Wochen zu einem merkwürdigen Typen mit einem großen Schild um den Hals auf dem die Worte standen: Psychisch krank!

Von einem Moment zum anderen wurde mein Sohn zum Außenseiter. Gestern noch beliebt und umschwärmt. Doch plötzlich war er außen vor, nicht mehr "passend" für die Welt. Er wurde zu einem Menschen, den man misstrauisch beäugte und zu dem man wohl besser Abstand hielt. Es war für mich erschreckend zu sehen, wie schnell sich die Meinung der Menschen veränderte. In einer Zeit in der er so dringend Zuspruch und Unterstützung benötigte, stand er plötzlich vor einer Wand der Ablehnung.

Und dann gab es noch die Neugierigen! Die Sensationsgeier! Sie kamen und sagten ihm tolle Sachen. Lass den Kopf nicht hängen, es wird alles wieder. Wir sind doch Freunde und daran wird sich nichts ändern. Anschließend zogen sie los und dichteten immer mehr unsinnige und absurde Dinge dazu. Froh etwas aufregendes erzählen zu können. Aber weil er es nicht anders kannte und nicht besser wusste, glaubte mein Sohn erst einmal das was sie ihm sagten. Er vertraute ihnen. Schließlich waren es doch seine Freunde – Menschen, die er seit vielen Jahren kannte.

Der Tag als wir die Diagnose bekamen, an dem Tag als wir glaubten jetzt geht es endlich bergauf - an diesem Tag begann in Wahrheit ein Kampf um Toleranz und Menschlichkeit. Dieses eine Wort Borderline änderte schlagartig alles. Ein einziges Wort ist in der Lage den Umgang mit einem Menschen völlig zu verändern...

               
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